Zollwut
Die Verkündigung der absurd hohen und willkürlich anmutend verhängten Zölle auf die Einfuhren dutzender Nationen, inklusive jenen einer ausschließlich von Pinguinen bewohnten Insel, haben die Märkte rund um den Globus einknicken lassen.
Die vom Weißen Haus veröffentlichte Berechnungsformel für die verhängten Zölle weist groteskerweise einen eklatanten Fehler auf. Ob dieser bewusst eingebaut wurde oder das Ergebnis eines allgemeinen Dilettantismus der Trump-Administration ist, lässt sich derzeit schwer einschätzen. Jerome Powell, Chef der amerikanischen Notenbank FED, geht davon aus, dass diese Zölle u.a. zu einer deutlich höheren Inflation in den USA führen.
Wenn wir die jüngsten Entwicklungen versuchen, nicht mit Trotz und Impulsivität des amerikanischen Präsidenten zu erklären, sondern mit Anhaltspunkten für einen sachlich erarbeiteten Plan, lässt sich zusammenfassen:
- Die amerikanische Wirtschaft importiert mehr als sie exportiert. Die Nachfrage nach ausländischen Gütern ist seit Mitte der siebziger Jahre größer als die nach inländischen, das Handelsdefizit wächst und erreichte 2025 einen neuen Rekord
- Im Jahre 2000 machte sich der damalige Präsident Clinton für die Aufnahme Chinas in die WTO (World Trading Organization) stark, in dem Glauben, dass dies der amerikanischen Wirtschaft nutzen würde
- Tatsächlich steigerte sich der Konsum, allerdings untergrub China die Vereinbarungen und erzwang einen Wissens- und Forschungstransfer, der letztendlich vor allem Chinas Exporten zugutekam
- Bereits unter Obamas Präsidentschaft versuchten die USA Hoheit zurückzugewinnen, indem sie die Handlungsfähigkeit der WTO zu unterminieren suchten, was Trump 2019 mit der Nichtbesetzung wichtiger Ämter vollendete
- Nun steht sogar im Raum, wie gestern durch Elon Musk kommuniziert, dass die aktuelle Zollpolitik langfristig zum Ziel haben könnte, eine globale Null-Zoll-Politik zu erreichen, sprich, mit Gewalt zunächst den Druck auf die Handelspartner derart zu erhöhen, dass sie in der Konsequenz bereit wären, auf jegliche Zölle zu verzichten, um eine Art globale Freihandelszone zu errichten. Hierfür spricht u.a. die Aussage des US-Handelsministers Lutnick, dass die Zölle für Tage und Wochen Bestand haben würden. Von langfristig hohen Zöllen wird hier nicht gesprochen. Wir könnten uns vorstellen, dass Trump dies im Hinterkopf hat, wenn er sein Volk darauf einschwört, dass es erst härter werden müsste, bevor es gut würde. Spontan erinnert uns das an die Zeiten des Wettrüstens: Gegenseitige Abschreckung, um in der Folge langsam in den Rückbau zu gehen
- Vor diesem Hintergrund fällt besonders auf, dass gegen Russland keine weiteren Zölle erhoben wurden. Hier gibt es diverse Deutungsmöglichkeiten, die allesamt einigermaßen unbefriedigend sind
→ Ob der amerikanische Plan aufgeht, damit die eigene Wirtschaft zu stärken und die Binnennachfrage zu erhöhen, sei dahingestellt. Aus unserer Sicht ist es schwer vorstellbar, dass sich die größte Exportnation der Welt, China, angesichts ihrer Überlegenheit zum Spielball machen lässt – auch wenn das unter Punkt 5 beschriebene Szenario auf den ersten Blick in deren Interesse wäre. Hinzu kommt, dass die USA, genauso wie die EU, auf diverse Importe zwingend angewiesen sind (Beispiel: seltene Erden) und auch ein kurzfristiger Engpass/ extrem teurer Einkauf dramatische Folgen haben kann.
Was bedeutet das für uns?
Wir sollten uns auf jeden Fall auf einen weiterhin volatilen Markt einstellen. Auch wenn es derzeit schwerfallen mag, den Lichtstreif am Horizont zu erkennen, so führen die Kurseinbrüche zumindest zu attraktiveren Kaufkursen.
Trotz der bewegten letzten Jahre und den aktuellen Kurseinbrüchen stellte sich die tatsächliche Marktentwicklung folgendermaßen dar:
Im Februar 2020, kurz vor Corona, lag der Dax bei einem Allzeithoch von knapp 13.800 Punkten. Heute, am Dienstagvormittag des 8.4.2025 liegt der Dax nach heftigen Einbrüchen in den letzten Tagen bei gut 20.000 Punkten. Das ist ein erheblicher Verlust im Vergleich zu seinen Höchstständen der letzten Monate. Dennoch liegen wir damit bei einem Plus von etwa 45% in gut fünf Jahren.
Der Dow Jones lag im Februar 2020, ebenfalls mit einem Allzeithoch, bei knapp 29.000 Punkten und heute Morgen bei 38.000 Punkten, auch hier immer noch ein Plus von über 30% in den letzten fünf Jahren.
In den letzten Wochen zeigte der europäische Markt eine bessere Performance gegenüber dem amerikanischen. Davon profitierten zuletzt auch die meisten der von uns betreuten Depots, da wir grundsätzlich einen Schwerpunkt auf europäische Aktien legten und legen – schließlich ist dies die Währung unseres Lebensraums. Die Überproportionierung des US-amerikanischen Marktes bspw. im MSCI World Index mit 70% führte nicht nur phasenweise zu einer Überproportionierung der Chancen, sondern auch des Risikos.
Was wir bei alldem nicht vergessen sollten:
So heftig die Auswirkungen auf die Märkte sind, so unsicher wir uns angesichts dieser schwer nachzuvollziehenden Hauruck-Aktionen fühlen – am schlimmsten wirkt sich die Umlenkung der globalen Aufmerksamkeit auf die Kriegs- und Krisengebiete aus. Plötzlich rücken jene aus dem Fokus, die unserer Aufmerksamkeit am meisten bedürfen.
"Ein kluger Mensch sollte Geld in seinem Kopf, aber nicht in seinem Herzen haben."
- Jonathan Swift
In Zeiten, in denen Werte zu verrohen drohen, fokussieren wir uns auf das, was wirklich zählt, agieren antizyklisch und klug und hoffen, dass sich weltweit Wähler auf demokratische Werte und den gesunden Menschenverstand besinnen.
Herzlich
Ihre Nathalie Aulbach & Susanne Kazemieh